Es sind nicht die Dinge an sich, die uns beunruhigen,
es ist das, was wir Ÿber die Dinge denken:
Stoa und Pantheismus
Wenn wir vom "universalen Geist" sprechen, dann sinnvollerweise als einem Gestaltungsprinzip, das konkret wird
-
in Archetypen
(Urbildern, welche die Seele mit Hilfe eines angeborenen Instinktes wahrnehmen kann),
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in SynchronizitŠt
(nach Carl Gustav Jung relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht Ÿber eine Kausalbeziehung verknŸpft sind, vom Beobachter jedoch als sinnhaft verbunden erlebt werden),
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in Konvergenz
(nicht-kausale Voraussetzungen werden fŸr so manch evolutionŠren Prozess sichtbar), aber auch
-
in den Naturgesetzen.
Universaler Geist ist aber nicht nur Idee,
sondern auch handelndes Prinzip,
das materielles und immaterielles Geschehen begrŸndet.
Dies ist nicht als Definition zu verstehen, sondern als sprachliche Umschreibung von rational nicht Fassbarem.
Im religišsen Gottesbegriff wird er personalisiert,
wobei Glauben eine Form des wissenschaftlichen Denkens ist.
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Gott als Logos der Welt
Text: Michail Lermontow (1814 - 1841): Strophen in der †bersetzung durch Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Musik: Camille Saint Saens: Klavierkonzert #2, Andante sostenuto, Aldo Ciccolini, Serge Baudo, Orchestre de Paris (1970)
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Interpretation des Videos
- Vorstellung des organischen, sich selbst erhaltenden, stabilisierenden Kosmos, im Speziellen: Gaia
- Kosmopolitismus (grundsŠtzliche Gleichwertigkeit aller Menschen)
- Die Rechtsordnung der menschlichen Gesellschaft muss der natŸrlichen Gesamtordnung entsprechen und ist erst dadurch legitimiert.
- Homologie bedeutet: das Handeln ist in †bereinstimmung mit der Vernunft und dadurch auch mit der Natur
- Das Recht besteht von Natur aus und nicht durch menschliche Setzung. Dieses Naturrecht ist ein Analogon zu den Naturgesetzen.
- Das, was von Natur ist, ist gut, weil schon sehr lange stabil (z.B. die Naturgesetze).
- Die menschliche Vernunft, die Teil der Gesamtvernunft ist, soll die innere Ordnung des Kosmos begreifen, die wiederum von der Allvernunft geschaffen wurde.
- WŠhrend
- der religišse Mensch (homo religiosus) das Instrument der Selbstverherrlichung der Gottheit ist,
- dient der aus dem schŸtzenden Mythos herausgefallene philosophische Mensch (homo philosophicus) der Selbstbegegnung des Logos.
- Die deutsche AufklŠrung des 18. Jhds hat solche stoischen Prinzipien Ÿbernommen (z.B. Kant).
- Forderung des Handelns nach den Gesetzen der Natur,
- ein Leben aus der Pflicht: Christian Grave von Friedrich II beauftragt, Ciceros "de officiis" (in Anlehnung ans Griechische auch Katechismus genannt) zu Ÿbersetzen und als SchullektŸre einzusetzen.
Wir leben in einem Raum mit den 3 Dimensionen
- Logik (Mathematik als Lehre von Strukturen oder Mšglichkeiten, die unabhŠngig und daher auch noch vor z.B. Materie und Energie existierten: https://www.youtube.com/watch?v=8CBZy8E-eDM)
- Physik (Lehre von der Natur, z.B. Materie und Energie)
- Ethik (Lehre vom Menschen) mit den Teilen
- Werte-Definition,
- Liebe fŸr die Werte und Verlangen nach ihnen - Ordnung und Ma§ bei dieser Liebe,
- praktische Umsetzung der Liebe.
Cicero:
- Logik und Physik sind Tugenden, weil sie uns in Einklang mit dem sich selbst stabilisierenden Kosmos bringen.
- Ohne die Orientierung, die diese Disziplinen (Mathematik, Physik) bieten, d.h. ohne Ratio,
- geraten wir in eine IrrealitŠt (in eine Naturferne, in einen Gegensatz zur Natur), die keinen Platz in der Natur hat. In dieser Wahnwelt handelnd, setzt der Mensch die Natur auf einen unvorhersehbaren Weg.
- verlassen wir die Nische, die Gaia uns bietet.
Was immer von den drei Teilen (a - c) der Ethik fehlt, beeintrŠchtigt auch das †brige.
- Denn was nŸtzt es,
- wenn du alles richtig beurteilst (a),
- in deinem Verlangen (b) aber zu heftig bist?
- Was hilft es,
- den Trieb zu unterdrŸcken und die Begierden unter Kontrolle zu halten (d.h. ein angemessenes Engagement zu haben, b) ,
- wenn du bei deinem Handeln den richtigen Zeitpunkt verpasst und nicht wei§t, wann, wo und wie etwas getan werden muss?
Philosophie (Liebe fŸr die Weisheit) und Sittlichkeit (Einklang mit den Gesetzen der Mathematik, Physik und Ethik) gehšren zusammen.
(Anders als die platonische und aristotelische Philosophie) entwirft die Stoa ein geschlossenes Gesamtsystem, in dem das Gšttliche und die Natur (physis) eine Einheit bilden, also
- die Beschaffenheit des Kosmos,
- das Wirken des Schicksals,
- der Sinn der "Weissagung" (Aussagen von Weisen, also Menschen, die sich in den RŠumen 1 - 3 auskennen. Johannes Kepler bezeichnet sie (und sich) als "Priester am Buch der Natur"),
- die Erde und ihre Všlker,
- der Charakter der Materie und der Energie.
Gšttliche Gesetze ordnen die VorgŠnge in einem so hohen Ma§e, dass man
- die VorgŠnge selbst als gšttlich bezeichnen kann,
- Welt und Gott kaum unterscheidbar sind (Pantheismus).
Ursprung und Evolution:
- am Anfang stehen zwei Prinzipien
- Geist, auch bekannt als
- Logos,
- in der Bibel "das Wort",
- Sprache,
- Vernunft,
- Seele,
- Gottheit,
- Mathematik,
- Materie.
Die Materie wird durch Logos geformt. Der Kosmos ist eine Synthese aus Geist und Materie.
Stoischer Urknall
- Die Materialisierung des Logos als Bedingung seiner Wirkung geschieht durch das Feuer, das als kosmischer Urstoff das Weltall formt.
- Durch das Feuer wird auch ein kosmischer Zyklus von Entstehung und Untergang bestimmt.
- Eusebius von CŠsarea: Das gesamte Weltall geht in bestimmten Perioden in Feuer auf, um sich dann aufs neue wieder zu bilden (Beispiel: Sodoma und Gomarrha).
- Das Urfeuer ist wie ein Same, der alle GrŸnde und Ursachen dessen, was ward, wird und werden wird, in sich birgt. In der Verflechtung (Mathematik) und naturgesetzlichen (physikalischen) Folge dieses Verlaufs besteht das Wissen und die Wahrheit und das unentrinnbare und unauswechliche Gesetz der Welt.
EinfŸhrung in das Christentum
Joseph Ratzinger, 1968
(im Cache)
Seiten 257, 258
Nur wo fŸr jemanden der Wert der Liebe Ÿber dem Wert des Lebens steht, das hei§t, nur wo jemand bereit ist, das Leben zurŸckzustellen hinter der Liebe und um der Liebe willen, nur da kann sie auch stŠrker und mehr sein als der Tod.
Damit sie mehr werden kann als der Tod, muss sie zuerst mehr sein als das blo§e Leben. Wo sie das aber dann nicht blo§ dem Wollen, sondern der Wirklichkeit nach zu sein vermšchte, da wŸrde das zugleich hei§en, dass die Macht der Liebe sich Ÿber die blo§e Macht des Biologischen erhoben und sie in ihren Dienst genommen hŠtte.
In der Terminologie von Teilhard de Chardin gesprochen: Wo das stattfŠnde, da wŠre die entscheidende "KomplexitŠt" und Komplexion geschehen; da wŠre auch der Bios umgriffen und einbegriffen von der Macht der Liebe. Da wŸrde sie seine Grenze - den Tod - Ÿberschreiten und Einheit schaffen, wo er trennt.
Wenn die Kraft der Liebe zum andern irgendwo so stark wŠre, dass sie nicht nur dessen GedŠchtnis, den Schatten seines Ich, sondern ihn selbst lebendig zu halten vermšchte, dann wŠre eine neue Stufe des Lebens erreicht, die den Raum der biologischen Evolutionen und Mutationen hinter sich lie§e und den Sprung auf eine ganz andere Ebene bedeuten wŸrde, in der Liebe nicht mehr unter dem Bios stŸnde, sondern sich seiner bediente.
Eine solche letzte "Mutations"- und "Evolutions"stufe wŠre dann selbst keine biologische Stufe mehr, sondern wŸrde den Ausbruch aus der Alleinherrschaft des Bios bedeuten, die zugleich Todesherrschaft ist; sie wŸrde jenen Raum eršffnen, den die griechische Bibel "zoe" nennt, das hei§t endgŸltiges Leben, welches das Regiment des Todes hinter sich gelassen hat.
Die letzte Stufe der Evolution, deren die Welt bedarf, um an ihr Ziel zu kommen, wŸrde dann nicht mehr innerhalb des Biologischen geleistet, sondern vom Geist, von der Freiheit, von der Liebe. Sie wŠre nicht mehr Evolution, sondern Entscheidung und Geschenk in einem.
Version: 20.3.2023
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Jochen Gruber