Das Neue Denken - Politik im Zeitalter der Globalisierung

Michail Gorbatschow . Vadim Sagladin . Anatoli Tschernjajew 

Originalausgabe Juli 1997

Wilhelm Goldmann Verlag MŸnchen


Zusammenfassung in
Michail Gorbatschow, Das neue Russland: Der Umbruch und das System Putin, 2015,
Teil III - Beunruhigende Neue Welt, Seiten 353 - 356

Hšrbuch, Zeitintervall 4:55:30 - 5:00:55


Inhaltsverzeichnis

Der Anfang der Geschichte?

Das Neue Denken, dessen Ideen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre praktische Anwendung fanden, hat zu wichtigen praktischen Ergebnissen gefŸhrt. Im Leben der Weltgemeinschaft ist zu bedeutsamen VerŠnderungen gekommen. Sie hat sich von Konfrontation und Kaltem Krieg befreit, die Gefahr eines atomaren Infernos wurde in den Hintergrund gedrŠngt. Eine betrŠchtliche Erneuerung des geopolitischen und geowirtschaftlichen Panoramas der Erde hat begonnen. Sie fŸhrte zugleich zu einer Konsolidierung der zivilisatorischen Prozesse.

In den letzten Jahren werden das Neue Denken sowie die Ergebnisse seiner praktischen Anwendung kritisch betrachtet. Zwar wurden wichtige Erkenntnisse erreicht, kam es dank des Neuen Denkens weltweit zu unbestreitbar positiven VerŠnderungen, aber nicht alles, was gedacht war, konnte auch verwirklicht oder vollendet werden. Ein wichtiger Grund liegt darin, da§ die begonnenen UmwŠlzungen mit der Auflšsung der Sowjetunion im Dezember 1991 nicht mehr wirksam weiterzufŸhren waren. Man erklŠrte sie bald fŸr unhaltbar und ŸberflŸssig.

In jŸngster Zeit kehr die russische Au§enpolitik allerdings in gewissen Bereichen zu einem Vorgehen zurŸck, in dem das Neue Denken und seine Ideen wieder anklingen. Das geschieht nicht deshalb, weil man die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts heute anders sieht oder die Verdienste der "Entdecker" einer neuen Weltpolitik endlich anerkennt. Im Gegenteil, ohne jede Scheu gibt man Dinge, die das Neue Denken der Perestroikazeit entwickelt und in die Politik eingebracht hat, fŸr eigene Neuerungen aus.

Viel wichtiger ist jedoch, da§ die Ideen und die Politik des Neuen Denkens wieder aufleben, was beweist, da§ sie dem Geist unserer Zeit entsprechen, weil sie aus den objektiven Erfordernissen und Tendenzen der neuen Zeit erwachsen sind. Aber das Leben geht weiter, stellt neue Forderungen und Aufgaben. Damit mu§ sich auch das Neue Denken stŠndig weiterentwickeln, wenn es nicht veralten will.

In diesem Buch haben wir versucht, zur Lšsung dieser Aufgaben beizutragen und dafŸr die Erfahrungen aus der Zeit zu nutzen, da der "Vater" des Neuen Denkens keine offizielle staatliche Funktion mehr ausŸbt.

Was in diesem Buch geschrieben wurde, ist nicht die Wahrheit in letzter Instanz. Darauf erhebt niemand Anspruch. Es sind Gedanken, †berlegungen und VorschlŠge, bestimmt fŸr Analyse und Debatte. Wenn man das Gesagte auf einen kurzen Nenner bringen will, dann kšnnte man folgende Formel anbieten: Die Menschheit kann nicht permanent nur eine †berlebensgemeinschaft sein, denn eine solche Orientierung fŸhrte, mit Verlaub gesagt, frŸher oder spŠter in die Katastrophe. Sie mu§ zu einer Gemeinschaft des Fortschritts werden. Des Fortschritts fŸr alle - fŸr Ost und West, fŸr Nord und SŸd, fŸr die hochentwickelten Staaten und fŸr die, die heute noch im Elend leben.

Eines weiteren Fortschritts bedarf dabei auch die Idee des Fortschritts selbst. Der Aufstieg der Menschheit zur Verwirklichung des Sinns ihrer Geschichte mu§ vor sich gehen, ohne da§ der Mensch selbst und die Ÿbrige Natur nicht wiedergutzumachenden Schaden nehmen, ohne da§ Menschen und ganze Všlker entwŸrdigender, zerstšrerischer Ausbeutung unterworfen werden, ohne da§ unwiederbringliche moralische und geistige Verluste eintreten. Es mu§ sich durch weltweite, gleichberechtigte Zusammenarbeit ohne Elemente von bewaffneter Gewalt, als friedliche gemeinsame Entwicklung aller vollziehen.

Das aber erfordert eine tiefgreifende Wende im Gang der Geschichte, einen Paradigmawechsel im Dasein der menschlichen Gemeinschaft.

Die Geschichte des Menschengeschlechts kennt derartige Wendepunkte. Unterschiedlich in Tiefe und IntensitŠt, hat es sie mehrfach gegeben. Sie haben die Grundlagen, die Art und Weise der menschlichen Existenz, die Lebensweise der Menschen verŠndert. Die Geschichte hat ihren Lauf mit der Zeit beschleunigt, die AbstŠnde zwischen den epochalen UmbrŸchen sind kŸrzer geworden. Der †bergang der Menschheit von der verbrauchenden zur produzierenden Wirtschaft (die neolithische Revolution) hat mehrere Jahrtausende gedauert. Viele Jahrhunderte vergingen, bis die Mšglichkeiten des Handwerks ausgeschšpft waren und die industrielle Produktion entstand. Aber nach kaum einem Jahrhundert wŠchst aus der Industriegesellschaft die sogenannte postindustrielle oder Informationsgesellschaft.

Und schon ist ein neuer Wechsel dringend erforderlich - der †bergang zu einer Lebensweise, zu GrundsŠtzen menschlicher TŠtigkeit, die eine Lšsung bisher nicht gekannter, die Menschheit in ihrer Existenz bedrohender WidersprŸche ermšglicht: An die Stelle einer gedankenlos produzierenden Zivilisation, die bereits damit begonnen hat, ihre eigenen Existenzreserven anzugreifen und zu vernichten, mu§ eine Zivilisation treten, die ihre Lebensbedingungen reproduziert und akkumuliert, nicht die Chancen fŸr kŸnftige Entwicklung zerstšrt. Mit anderen Worten, eine Zivilisation nicht einfach des †berlebens, sondern eines vollwertigen Daseins - fŸr die heutigen und die kŸnftigen Generationen.

Ob ein solcher †bergang gelingt, wird selbstverstŠndlich von der Innenpolitik der Staaten und der gesamten Weltgemeinschaft abhŠngen, davon, wie jedes Land und jedes Volk mit seinen Ressourcen umgeht, welchen Entwicklungsweg es fŸr sich selbst wŠhlt.

Hier sei hervorgehoben, da§ das Neue Denken sich durchaus nicht allein auf die internationalen, die globalen Probleme und Prozesse beschrŠnkt. Es betrifft ganz unmittelbar auch die Innenpolitik, die es mit dem Handeln der Staaten im internationalen Rahmen in einen engen Zusammenhang stellt. Im Grunde genommen war die ganze Perestroika in der UdSSR eine einzige Anwendung der GrundsŠtze des Neuen Denkens auf die Lšsung der inneren Aufgaben, vor denen unser Land damals stand. In diesem Buch haben wir uns vor allem auf die weltpolitische Seite des Neuen Denkens beschrŠnkt, konnten allerdings auch innenpolitische Probleme in Ru§land und anderswo nicht ganz au§er acht lassen.

Das ist erklŠrlich, denn in unserer Zeit der interdependenten Welt werden viele wesentliche Probleme des †bergangs der Menschheit zu einem neuen Dasein im internationalen Rahmen gelšst werden (genauer gesagt, gelšst werden mŸssen). Schlie§lich sind es Probleme von wahrhaft globaler Natur.

Das Neue Denken widmet sich der Aufgabe, Antworten auf die neuen Fragen zu stellen, die die Zeit uns stellt. Es sollen Antworten auf die Herausforderungen sein, denen nicht einzelne LŠnder, sondern die ganze Weltgemeinschaft gegenŸbersteht. Zugleich ist das Neue Denken ein Appell, gemeinschaftlich nach solchen Antworten zu suchen. Gemeinschaftlich deshalb, weil es nicht mšglich ist, der Menschheit eine fertige, von jemandem ausgedachte Antwort aufzuzwingen. Nur eine gemeinsame, kollektive Antwort, die zu gemeinsamem, kollektivem Handeln fŸhrt, wird Ergebnisse bringen.

Zuweilen hšren wir die Frage: Wird es gelingen, eine solche kollektive Antwort zu finden? In der Welt gibt es heute so viele verschiedene, widersprŸchliche Meinungen und Positionen ... Das ist richtig. Aber wir meinen, die Welt von heute sollte endlich begreifen: Niemand besitzt das Monopol der Wahrheit. Aber wenn alles Erfolgreiche vereinigt wird, das die verschiedenen Ideenstršmungen, philosophischen und politischen Schulen angesammelt haben, das den RealitŠten der Welt von heute und den Herausforderungen der Zukunft entspricht, dann werden wahrhaft gemeinsame Schlu§folgerungen und Entscheidungen mšglich sein. Die Welt von heute kann sich nicht lŠnger im erbitterten Kampf der Ideologien, in endloser ideologischer Konfrontation weiterentwickeln. Unterschiedliche Meinungen sind nicht zu beseitigen, aber bei Wahrung der Unterschiede kann man eine Synthese fŸr gemeinsame Problemlšsungen finden und eine Plattform aufbauen, die kollektives Handeln ermšglicht.

Die Wege, auf denen die LŠnder und Kontinente zu dieser neuen Art des Daseins gelangen, werden und mŸssen unterschiedlich sein. Das ist nur natŸrlich. Ebenso werden Entscheidungen und Schritte zwangslŠufig eine gro§e Vielzahl aufweisen. Wichtig ist nur, da§ sie alle auf dasselbe Ziel gerichtet sind - eine tatsŠchliche Erneuerung des Lebens der Weltgemeinschaft, die Entwicklung neuer Voraussetzungen und Formen fŸr die Existenz des Menschengeschlechts.

Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart sind bereits in vielen Varianten vorgelegt worden. Das betrifft auch die internationale Politik, die internationalen Beziehungen. Leider sind diese Varianten zu oft nur Šu§erlich neu. In ihrem Kern lassen sie das alte Vorgehen und die alten Methoden unberŸhrt. Die VerŠnderungen, die 1985 eingesetzt haben, zunŠchst in der Sowjetunion und danach auch in anderen LŠndern (verŠndert haben sich im vergangenen Jahrzehnt alle) spiegeln - unabhŠngig davon, wie man ihre Ergebnisse bewertet - objektive Erfordernisse einer kŸnftigen neuen Zivilisation.

Macher sieht in diesen VerŠnderungen das Ende der Geschichte. Dieses sei bereits damit erreicht, da§ MarktverhŠltnisse Ÿberall auf der Welt Einzug gehalten haben. Das Šu§erte in der letzten Zeit, wie bereits erwŠhnt, Francis Fukuyama. Aber was er sagt, ist nicht sonderlich originell. Bereits lange vor ihm hat Walter Rostow behauptet, die Gesellschaft des Massenkonsums sei "die hšchste Etappe des Fortschritts".

Die Vorstellung vom Ende der Geschichte widerspricht jedoch der RealitŠt. Im Grunde genommen bedeutet sie nichts anderes, als jegliche VorwŠrtsbewegung zu bestreiten. Oder sie vereinfacht den Sinn der Geschichte so sehr, da§ er sich auf die AnhŠufung von ReichtŸmern und einen stŠndig wachsenden Konsum reduziert. Die Geschichte tritt nicht auf der Stelle. Sie nimmt auch keinen linearen Verlauf. StŠndig erobert sie neue Hšhen und reichert dabei sowohl neue quantitative als auch qualitative Merkmale an. Die tiefgreifenden und unaufhaltsamen Prozesse, die in der Welt eingesetzt haben, werden zu einer umfassenden Evolution des Lebens der Weltgemeinschaft in allen seinen Aspekten fŸhren. Diese wird weder leicht noch einfach sein. Sie wird immer mehr die Lage und Interessen derjenigen berŸhren, die Ÿber Macht, Reichtum und Einflu§ verfŸgen. Mancher Angehšrige dieser Schichten wird die Notwendigkeit der VerŠnderungen begreifen und seinen Beitrag dazu leisten. Andere werden sich ihnen sowohl in ihren LŠndern selbst als auch im internationalen Rahmen mit aller Kraft widersetzen. Wir sind sicher, da§ eine unabdingbare Etappe auf dem Wege der Menschheit in einen neuen Zustand die Erneuerung ihres Denkens sein mu§. Das Neue Denken wird wieder in seine Rechte eintreten, wird weiterentwickelt und vervollkommnet werden, denn es hat bereits bewiesen, da§ es in der Lage ist, tote Punkte zu Ÿberwinden und der Politik zum Durchbruch zu verhelfen, wo noch vor kurzem ein Durchbruch schier unmšglich schien.


Schlu§bemerkungen

Wenn wir von der Verantwortung der Menschen, der Politiker, der Staaten und Všlker fŸr die Zukunft, fŸr einen optimalen Weg dorthin sprechen, dann ist uns als BŸrgern Ru§lands natŸrlich bewu§t, da§ in unserem eigenen Land noch sehr viel zu tun bleibt. Welchen Weg diese Gro§macht einschlŠgt, wird in vielerlei Hinsicht fŸr die Weltentwicklung entscheidend sein. Mit dieser Feststellung lassen wir keine patriotischen GefŸhle sprechen. Wir stellen lediglich eine reale Sachlage fest. Diese hŠngt sowohl mit dem enormen natŸrlichen, wirtschaftlichen und geistigen Potential unseres Landes als auch mit seiner Stellung in der Welt zusammen. Ru§land ist nach seiner ganzen Tradition und Geschichte zweifellos der europŠischen Kultur zugehšrig - und es ist ein Land mit eigenen Merkmalen und ausgeprŠgter Spezifik. Die das besonders betonen, vergessen zuweilen, da§ man weder in Europa noch sonstwo in der Welt ein Land ohne solche Besonderheiten findet. Haben etwa Gro§britannien oder Deutschland, Spanien oder Griechenland nicht auch ihre Eigenarten? Die geographischen, geschichtlichen und religišsen Merkmale dieser LŠnder sind sehr ausgeprŠgt und unterscheiden sich betrŠchtlich von anderen nichteuropŠischen Staaten, die ihrerseits ebenfalls ihre Besonderheiten aufweisen. Ganz Europa ist ein vielfarbiger Erdteil. Aus der Eigenart Ru§lands ein Argument dafŸr zu machen, es von den anderen Teilen des Kontinents zu isolieren, ist tšricht und unproduktiv. Ru§land ist nach Kultur und Traditionen ein europŠisches Land, ist aber zugleich multikulturell, multireligišs und multiethnisch geprŠgt. Hier finden wir eine ganz eigene Synthese der Kulturen, von denen jede der Entwicklung ihren Stempel aufgedrŸckt hat. Auch dieser Umstand darf nicht unberŸcksichtigt bleiben. Geographisch gesehen, ist Ru§land ohne jeden Zweifel eine euro--asiatisdhe Macht. Darin ist es einzigartig - es verbindet sich in Ost und West, aber auch Nord und SŸd, und dies nicht nur im Sinne der Geographie, sondern auch der Zivilisationen. Das ist fŸr Ru§land nicht nur Ursprung bestimmter Probleme, sondern vor allem ein gewaltiger Vorzug, der ihm gro§e Mšglichkeiten in der Innen- und Au§enpolitik schafft.

Jeder Versuch, eine der Besonderheiten Ru§lands zu verabsolutieren, ist všllig hoffnungslos und zum Scheitern verurteilt, denn das wŸrde bedeuten, einen Teil seines Wesens den anderen entgegenzustellen und Ru§lands einheitlichen Organismus gleichsam in StŸcke zu rei§en.

Politisch kšnnte Ru§land Bindeglied zwischen den westlichen und šstlichen, nšrdlichen und sŸdlichen Staaten der Weltzivilisation werden. Dabei kšnnte von ihm eine einigende, keine trennende Wirkung ausgehen. Auch wirtschaftlich kšnnte Ru§land mit seinen riesigen RŠumen und BodenschŠtzen, seinen Verkehrsmšglichkeiten und seinen wissenschaftlich-technischen Traditionen eine BrŸcke zwischen den Wirtschaften des Ostens und des Westens, des Nordens und des SŸdens schlagen. Ru§land selbst kšnnte daraus enormen Nutzen ziehen, und die ganze Welt erhielte neue Entwicklungsmšglichkeiten.

Hier sollte auch nicht vergessen werden, da§ Ru§land einerseits selbst darunter leidet, da§ die globalen Probleme, allen voran die Umweltfrage, ungelšst sind, zugleich aber auch einen gro§en Beitrag zu ihrer Lšsung leisten kann. Denn Ru§land ist die Lunge der nšrdlichen HemisphŠre, so wie der SŸdzipfel Lateinamerikas die Lunge der sŸdlichen HemisphŠre ist. Wenn Ru§land seine Lage vernŸnftig nutzt, wird es sich selbst retten und andere retten helfen. Schlie§lich ist Ru§land mit seinen eigenstŠndigen Denktraditionen und seiner Suche nach moralischen TriebkrŠften des Lebens in der Lage, der Welt unter den neuen Bedingungen Ideen, Konzeptionen, Beispiele und Kriterien fŸr eine Politik anzubieten, die den Erfordernissen der nŠheren und ferneren Zukunft entspricht, die die VorzŸge verschiedener Zivilisationen zu einer Synthese vereinigt.

Diese Potentiale wird Ru§land natŸrlich nur realisieren kšnnen, wenn es seine gegenwŠrtige schwere Krise Ÿberwindet. Das wiederum kann nur gelingen, wenn in Ru§land tiefgreifende demokratische UmwŠlzungen vor sich gehen. Nur wenn in Ru§land Demokratie einzieht, wenn es seine Politik auf die allgemeinen Menschheitswerte ausrichtet,, kann es seine Stellung als Gro§macht, als ein Faktor des Friedens und des Fortschritts zurŸckgewinnen. Nur dann wird es der Welt bei ihrer stetigen, geregelten Entwicklung zu einer neuen, besseren Ordnung eine StŸtze sein. Wenn wir diese historische Aufgabe nicht lšsen, wird unser Land fŸr lange Zeit in Chaos und inneren Konflikten versinken, wenn es als Staat Ÿberhaupt erhalten bleibt. Und die Welt wird unweigerlich in eine neue Periode der Spannungen geraten, die andere Formen als frŸher annehmen, aber nicht weniger gefŠhrlich sein werden. Vieles wird nicht nur von Ru§lands Innenpolitik, sondern auch von seiner Au§enpolitik abhŠngen. Bislang wird sie den Forderungen der Zeit eindeutig nicht gerecht.

Die Au§enpolitik ist heute zu einer Arena geworden, in der innenpolitische Streitigkeiten ausgetragen werden. NatŸrlich hat jede politische Kraft das Recht, zur Au§enpolitik ihre eigene Meinung zu haben. Aber der praktische Kurs der Au§enpolitik mu§ einheitlich, gesamtstaatlich und parteiŸbergreifend sein. Er darf keine besonderen Positionen und Interessen bestimmter KrŠfte widerspiegeln, sondern allein die nationalen Interessen, die BedŸrfnisse des ganzen Landes.

Ein solcher politischer Kurs ist mšglich, wenn man bereit ist, alles Gute zu nutzen, das die Geschichte, die Zeit der Perestroika eingeschlossen, hinterlassen hat, und zugleich nicht nur die Erfordernisse des heutigen Tages, sondern auch der Zukunft zu bedenken. Mit anderen Worten, auch hier braucht es die Entwicklung und schšpferische Anwendung des Neuen Denkens.

Die Politik der Perestroika, wie sie bis Ende 1991 realisiert wurde, gibt es nicht mehr. Das hei§t aber nicht, da§ die Ideen der Perestroika, ihre Grundorientierung, sich erschšpft haben und der Vergangenheit angehšren. Nein! Ru§land braucht heute eine Fortsetzung der Perestroika mit ihren demokratischen, humanen, gewaltfreien Ideen und Methoden, mit Reformen, mit den Mšglichkeiten und Besonderheiten unseres Landes, den Hoffnungen seiner Všlker entsprechen. Das ist der Weg zur Rettung des Landes, zu seiner Wiedergeburt.

Dabei kann es natŸrlich nicht um eine einfache RŸckkehr zu dem Kurs und den Methoden gehen, die von 1985-1991 galten. Ru§land hat sich seitdem verŠndert. Und wie man diese VerŠnderungen auch sehen mag, ignorieren darf man sie nicht. Eine FortfŸhrung der Perestroika ist nur in dem realen Land mšglich, das wir heute vor uns haben. Mit einem Wort, der Weg weist nach vorn, nicht zurŸck. Die Ideen der Perestroika und ganz sicher auch des Neuen Denkens in ihrer unverfŠlschten und angereicherten Form werden letzten Endes, frŸher oder spŠter, den Weg des demokratischen Ru§lands bestimmen.


Version: 14.1.2017
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