Betreff: EEG-Novellierung


Fragen Ÿber abgeordnetenwatch.de an Heidrun Bluhm

Datum: 1. Juni 2016


Sehr geehrte Frau Bluhm,


der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung "Globale mweltverŠnderungen" (WBGU) betont in seinem Hauptgutachten "Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag fŸr eine Gro§e Transformation", dass

  1. bis 2020 zum Einhalten des 2-Grad-Ziels eine grundlegende Umstrukturierung unserer auf fossilen Brennstoffen basierten Gesellschaft stattgefunden haben mŸsse,
  2. der Staat eine proaktive Rolle Ÿbernehmen, d.h. die "Pioniere des Wandels" auf jede nur mšgliche Weise fšrdern und ihre Zahl erhšhen mŸsse.

Insbesondere zeigt


Meine Fragen:

  1. Schlie§en Sie sich dem WBGU an und lehnen den 2016 EEG-Novellierungsentwurf ab?
  2. Schlie§en Sie sich dem Rat und der EEG-Novellen-Kritik von Fachorganisationen (z.B. BWE) an, welche die Energiewende bisher herbeigefŸhrt, d.h. Deutschland ein exponentielles Wachstum von Wind- und Photovoltaik-Strom beschert haben?
  3. Sind Sie bereit, gegen EEG-Novelle und Reduzierung des Ausbaus um etwa die HŠlfte zu stimmen?
  4. Die Akteure im Erneuerbaren Energiesektor sind unter den heutigen Rahmenbedingungen (z.B. begrenztes Stromnetz) bereit, massiv zu investieren. Widersprechen Sie dem BMWi-Argument, das unzureichende Stromnetz sei trotzdem ein EE-Ausbauhinderungsgrund?


Mit freundlichen Gr٤en,


Dr. Joachim Gruber

(http://acamedia.info/sciences/J_G/)


Antwort von Heidrun Bluhm 

Datum: 14.6.2016


Sehr geehrter Herr Dr. Gruber, 

gerne beantworte ich Ihre Fragen zu Transformation und Energiewende. 


Frage 1. Schlie§en Sie sich dem WBGU an und lehnen den 2016 EEG-Novellierungsentwurf ab? 

Von der Zielrichtung teilen wir die Ansichten des WBGU aus dem Transformationsgutachten von 2011, allerdings haben die Thesen mittlerweile noch an Dringlichkeit gewonnen. Wir sind der Ansicht, dass nicht erst aber spŠtestens seit den BeschlŸssen von Paris kein Land der Welt sich vor der Dekarbonisierung seiner Wirtschaft drŸcken kann. Wer das 2-Grad-Ziel, oder gar das 1,5-Grad-Ziel ernst meint, kommt sehr schnell darauf, dass der Energiesektor praktisch vollstŠndig CO2-frei gestaltet werden muss. Und weil die CO2-Vermeidung im Verkehrssektor oder im GebŠudebereich sehr viel schwieriger sein wird, muss die Dekarbonisierung im Strombereich sehr viel schneller von statten gehen als in den anderen Sektoren. Dabei wird Braunkohle eher weichen mŸssen, als emissionsŠrmere und flexiblere Gas- oder Steinkohlekraftwerke. Auch der Preisverfall bei der …kostrom-Produktion ermšglicht ein Umdenken. 

DIE LINKE hat am 12. Mai dieses Jahres bereits zum dritten Mal einen Antrag zum gesetzliches Kohleausstieg in den Bundestag eingebracht. (siehe hier: dip21.bundestag.de

Nach Lage der Dinge ist fŸr einen solchen Kohleausstieg ein bundesweiter Abschaltplan das Instrument der Wahl. Denn wenn klar ist, zu welchem Datum welcher Block vom Netz geht, besteht Planungssicherheit fŸr alle Beteiligten. FŸr die Unternehmen genauso wie fŸr die BeschŠftigten und die Region. DIE LINKE befŸrwortet bewusst ein ordnungspolitisches Instrument, weil der Emissionshandel versagt hat. 

Dass es in einem solchen Konzept keine neuen Tagebaue oder Kohlekraftwerke geben kann, versteht sich von selbst. Vor allem aber muss dieser Ausstieg und der Strukturwandel begleitet werden. Die LINKE Bundestagsfraktion hat Kernforderungen zu einem solchen Ausstieg aus der Kohleverstromung und dessen arbeitsmarkt- und sozialpolitische Absicherung erarbeitet. Danach u.a. der letzte Kohlemeiler spŠtestens im Jahr 2035 vom Netz. Der Ausstieg soll spŠtestens im zweiten Halbjahr 2017 nach einem gesellschaftlichen Dialogprozess innerhalb eines Runden Tisches und eines Gesetzgebungsprozesses beginnen. DIE LINKE hat eine kritischere Sicht auf die CCS-Technik des Carbon Capture and Storage als der WBGU und lehnt diese Technik ab. 

Den EEG-Entwurf lehnen wir ab, was wir in diesem Positionspapier begrŸnden: linksfraktion.de


Frage 2. Schlie§en Sie sich dem Rat und der EEG-Novellen-Kritik von Fachorganisationen (z.B. BWE) an, welche die Energiewende bisher herbeigefŸhrt, d.h. Deutschland ein exponentielles Wachstum von Wind- und Photovoltaik-Strom beschert haben? 

Ja, wir teilen die EEG-Kritik der Erneuerbare-Energien-VerbŠnde, was im oben angefŸhrten Positionspapier erlŠutert wird und exemplarisch folgenden Pressemitteilungen zu entnehmen ist: 


Frage 3. Mit einer Verdoppelungszeit von 6 Jahren hŠtte die Windenergie im Jahre 2022 ihr Ausbaumaximum (175 TWh/a) und mit ihrer Verdoppelungszeit von 1.6 Jahren hŠtte die Photovoltaik in 2016 ihre KapazitŠtsgrenze (100 TWh/a) erreicht. www.ag-energiebilanzen.de

Sind Sie bereit, gegen EEG-Novelle und Reduzierung des Ausbaus um etwa die HŠlfte zu stimmen? 

Diese Frage verstehe ich nicht ganz: Verdoppelung gegenŸber welchem Basisjahr? Was ist mit Ausbaumaximum und KapazitŠtsgrenze gemeint?

DIE LINKE wird voraussichtlich der EEG-Novelle nicht zustimmen, allein schon weil wir die Umstellung auf das Ausschreibungssystem ablehnen, da es gro§e Investoren gegenŸber der BŸrgerenergie bevorzugt. Wir lehnen das Ausbremsen der Energiewende durch diese EEG-Novelle ab. Wir halten die Ausbaupfade fŸr zu gering, angesichts der Aufgaben, die aus den BeschlŸssen von Paris und einer Beschleunigung der Energiewende folgen aber auch des Wandels, den die Energieversorgung insgesamt (Sektorenkopplung Strom-WŠrme-Verkehrssektor) durchlŠuft. Der Stromsektor wird perspektivisch wachsen, wenn ElektromobilitŠt und erneuerbare strombasierte WŠrme sich zunehmend durchsetzen. Daher mŸssen die Ausbauziele erhšht werden. 


Frage 4. Die Akteure im EE-Sektor sind unter den heutigen Rahmenbedingungen (z.B. begrenztes Stromnetz) bereit, massiv zu investieren. Widersprechen Sie dem BMWi-Argument, das unzureichende Stromnetz sei trotzdem ein EE-Ausbauhinderungsgrund? 

Ja, denn wir halten dieses Argument fŸr vorgeschoben. Einerseits weil nach wie vor massive †berkapazitŠten an Kohlestrom die Netze blockieren und andererseits weil wir die Bedarfs-Berechnung fŸr den †bertragungsnetz-Ausbau fŸr Ÿberdimensioniert halten und hier seit Jahren die Offenlegung der Berechnungsmethoden fordern. Die Netzentgelte wurden in den vergangenen Jahren massiv erhšht, ohne dass Stromleitungstrassen in dem Ma§e gebaut wurden wie geplant. 

DIE LINKE hŠlt aber auch die Kostendebatte, wie sie im Zusammenhang mit einem angeblich unzureichenden Netzausbau losgetreten wurde fŸr unaufrichtig. Es hie§, die Redispatch-Kosten wŸrden aufgrund unzureichenden Netzausbaus massiv ansteigen Ð Grundlage sind SchŠtzungen, die momentan nicht nachvollziehbar sind, mit denen aber Politik betrieben wird. Auf der anderen Seite wird der energieintensiven Industrie mit rund 220 Branchen Ð darunter die Herstellung von Fantasieschmuck und die Pelzwirtschaft Ð weiterhin circa fŸnf Milliarden Euro EEG-Umlage jŠhrlich erlassen. Dies ist angesichts der BeschlŸsse von Paris nicht nachvollziehbar, denn dort wurde beschlossen, dass alle sich an den Kosten des Klimawandels beteiligen mŸssen. Es sollte nur die Teile der energieintensiven Industrie Rabatte erhalten, die tatsŠchlich im internationalen Wettbewerb stehen. 


Mit freundlichen Gr٤en

Heidrun Bluhm


Version: 17. Juni 2016

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