Endlager für hochradioaktiven Abfall:
Geologisch/geochemische Probleme und IT-basierte Lösungswege

Translate paper using Google Translate or Deep L.

Joachim Gruber

(--> Langfassung von Kapitel 1)

Zusammenfassung

  1. Unzureichende Modelle

    Trotz Forschung über viele Jahrzehnte sind wir nach meiner Überzeugung immer noch außerstande, die nichtlineare Dynamik des geologisch/geochemischen Systems angemessen zu verstehen und zu modellieren. Das gilt insbesondere für die deutsche Endlagerforschung, die auf dem Stand der amerikanischen vom Ende der 1980er Jahre ist.

    Die Nichtlinearitäten erzeugen selbstorganisierte Strukturen in Raum und Zeit. Auf Grund der mir zugänglichen Publikationen ist nicht zu erwarten, daß sie bisher unter Kontrolle sind. Beispiele sind periodische Barrierebrüche oder Schockwellen. Letztere werden zu sekundären HLW-Lagerstätten, deren Orte wir nicht vorhersagen können.

  2. Transparenz, Bürgerbeteiligung und Whistleblowerschutz als notwendige Mittel gegen Einseitigkeit der Wissenschaft

    Eine umfassende Informationstechnologie-gestützte Öffnung in die fachliche -ebenso wie in die allgemeine- Öffentlichkeit ist seit einigen Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik entwickelt worden und kann leicht in die deutsche Endlagerforschung und -Entwicklung übernommen werden. Die intensivierte Rückkopplung der Diskussion führt nach Ansicht von Internettheoretikern zu einer vorher nicht erkennbaren Erleichterung und Verbesserung der Arbeit.

    Die Vorgänge um den Zusammenbruch der Asse zeigen, daß Geowissenschaftler, die nachgeordneten Techniker und die Verwaltungsstruktur bei Fehleinschätzungen zivilrechtlich nicht -wie Firmen im Rahmen des Verbraucherschutzes- herangezogen werden können. Eine frühzeitige Öffnung der Endlagerforschung in soziale Medien und Crowdsourcing (z.B. in Wikis) kann über diese Informationstechnologie-gestützte Verbreiterung der Basis und Steigerung der Forschungsqualität das Problem der fehlenden Haftung weitgehend entschärfen.


Inhaltsverzeichnis

1. Unzureichende Modelle

In einem wissenschaftlich-technischen Gebiet mit gravierenden Unsicherheiten kann ein Großteil der Aussagen nur als

formuliert werden.


Gut funktionierende Beispiele dafür sind

  1. die DIN,
  2. ein genau definiertes und erprobtes System von zivilrechtlich bewehrter Verantwortung und Haftung in der Industrie,
  3. eine Informationstechnologie- (IT-) gestützte vollständige Transparenz und Einbeziehung aller interessierter Fachleute wie

Diskussionen über soziale Netzwerke in der Wissenschaft:


1.1 Warum die Forschung zur nuklearen Endlagerung noch nicht in einem Endlager umsetzbar ist.

Wir sind also -speziell in Deutschland- noch im Stadium der frühen Grundlagenforschung (siehe auch "Das schweizerische Endlagerkonzept", im Cache, Kurzfassung von Marcos Buser).

Beim Autobau mündete die Grundlagenforschung (beginnend mit der Entwicklung der Dampfmaschine) über 2 Jahrhunderte in eine Technik, und erst nachdem die Technik ihre Kinderkrankheiten abgelegt hatte, lieferte sie die Verläßlichkeit des heutigen Autobaus. Angesichts der hier skizzierten Probleme ist nicht zu erwarten, daß der Weg zu einem sicheren Endlager kürzer sein wird.

Ich halte es für durchaus denkbar, daß z.B. die oben erwähnte vom System selbstorganisierte Eigendynamik eine andere Beschreibung, ein anderes Verständnis verlangt, als die Geowissenschaften bisher haben. Dann könnte die heutige Wissenschaft prinzipiell keine sicheren Endlager entwerfen, die katastrophale Entwicklung der Asse wäre nicht Unfall sondern Symptom, solange der wissenschaftliche Paradigmenwechsel nicht stattgefunden hat.


1.2 Anschauliche Beispiele für die noch unbewältigte nichtlineare Dynamik: Oszillationen in Zeit und Raum
(eine detailliertere Darstellung)

Die deutsche modellgestützte Endlager-Exploration übersieht zur Zeit die hier in 2 Beispielen aufgeführten Barrierebrüche, weil ihre Modelle sie von vornherein ausschließen, indem sie -wie oben erwähnt- eine veraltete Geochemie verwenden:

  1. ein periodischer Bruch einer geologisch/geochemischen Barriere und
  2. die Selbstorganisation einer Radionuklidfahne zu einer möglicherweise biosphärennahen sekundären Radionuklidlagerstätte.

1.2.1 Periodischer Bruch einer geologisch/geochemischen Barriere
Periodical breach of a geological/geochemical barrier

P. Ortoleva, 2002, Basin Reaction Transport Mechanical Model

Zusammenfassung: Eine Barriere in 2500 m Tiefe verschwindet periodisch zu unbekannten Zeiten.
- Summary: A barrier 2500 m below the surface disappeares periodically at unknown times.-

Schematischer Querschnitt durch eine geologische Formation:
y-Achse: vertikale Ausdehnung der Formation, d.h. der obere Rand ist die Erdoberfläche (Tiefe = 0 m), der untere Rand die Tiefe 3000 m. Horizontal erstreckt sich die Formation entlang der x-Achse. Gesteinsdurchlässigkeit wird durch Schwärzung dargestellt (schwarz = geringste Durchlässigkeit).

Die Formation ist durch zwei Barrieren begrenzt. Die eine liegt in den oberen 500 m (schwarzer Balken oben), die andere hat eine anfängliche Mächtigkeit von 250 m und liegt unterhalb 2450 m Tiefe (schwarzer Balken unten). Diese Barriere wird periodisch durch Kräfte von unten geöffnet (in der Computeranimation verringert sich ihre Mächtigkeit periodisch).
(Flash Video, 1 MB)

Die folgenden Fragen zum hier dargestellen Szenario sind meines Erachtens offen:

  1. Kohlenwasserstoffgas-Vorkommen in und unter dem Gorlebener Salzstock ist in Fachkreisen und zuständigen Behörden seit 3 Jahrzehnten bekannt und der Öffentlichkeit vorenthalten worden.(Greenpeace Publikation, Gorlebenbesuch am 2. 12.2010 von Umweltminister Norbert Röttgen, im Cache). Kann das einen solchen periodischen Barrierebruch erzeugen? Welche weiteren treibenden Kräfte könnten nukleare Endlager auf diese Weise öffnen?
  2. Wenn eine Barriere sich im Rhythmus von Jahrhunderten öffnet und schließt, wie kann man das ausreichend sicher in dem kleinen Zeitfenster erkennen, in dem die Endlagerexploration liegt?

    Wenn man -wie in der Endlagerdiskussion üblich- vom heutigen Zustand einer geologischen Formation auf ihr zukünftiges Verhalten extrapoliert, so tut man das immer auf Grund von Modellvorstellungen. Der Ingenieursbergbau hat exakte Wissenschaften (Mathematik, Physik, Chemie) in seine Modelle einbezogen. Ortoleva zeigt mit seinem Beispiel, daß die Endlagergeologie hier einen Nachholbedarf hat.



Quicktime Movie (1.4 MB)
Flash Video (.flv) (46 kB)

1.2.2. Selbstorganisation einer Radionuklidfahne
Self-organization of a radionuclide plume

Weder die Geschwindigkeit noch die Reichweite der dabei entstehenden Radionuklidschockwelle können wir für Jahrhunderte vorhersagen.
- Neither the speed nor the range of the rising radionuclide shock wave can be predicted for centuries.-

J. Gruber, 1988, 1990

Zusammenfassung: Eine Front von "frischem" Wasser reinigt Gestein, das zunächst infolge einer geringfügigen Leckage aus dem Endlager gleichmäßig mit Radiostrontium kontaminiert war. Die vom Gestein gelöste Kontamination sammelt sich an der Wasserfront zu einem sekundären Radionuklidlager hoher Konzentration.

x-Achse: Zellen (Poren) eines mit der Strontiumfahne gleichmäßig kontaminierten Tuffs. y-Achse: pH, Strontiumkonzentration (Einheit: 10-7 mol pro Liter Systemvolumen) in Lösung (Srl) und auf Tuffoberflächen (Srs).

Zeitschritt 0 zeigt den Zustand der Strontiumfahne vor Eindringen des frischen Wassers. Auf seinem Weg durch die Strontiumfahne schiebt dieses Wasser -wie ein Schneepflug den Schnee- das angetroffene Strontiuminventar in Form einer stetig höher werdenden steilen Welle ("Schock") vor sich her, akkumuliert also das Strontiuminventar außerhalb des ursprünglichen Endlagers. Da wir die zukünftigen geochemischen Verhältnisse außerhalb des Endlagers nicht für Jahrhunderte vorhersehen können, wissen wir nicht, ob diese Welle noch vor, d.h. außerhalb der Biospäre zum Stillstand kommt. (mehr ...)

Zusammenfassung

Die Sicherheit von Endlagern für hochradioaktiven Abfall (HLW) ist noch Gegenstand der Forschung, die auf Arbeitshypothesen basiert. Sicherheitsgarantien, wie wir sie in der modernen Industrietechnik, Physik und Chemie geben können, kann man daher -besonders in Deutschland unverändert seit Jahrzehnten- nicht geben.


2. Transparenz, Bürgerbeteiligung und Whistleblowerschutz

E. Huang, The Future of Civic Engagement in a Broadband-Enabled World, 2010 (annotated transscript),
A. Renkamp, Beteiligunsgkompass, Bertelsmann Stiftung,
P. Nanz, M. Fritsche, Handbuch Bürgerbeteiligung - Verfahren und Akteure, Chancen und Grenzen, 2012.

Bevor man die oben beispielhaft vorgestellten neuen Modelle eingesetzt hat, ist einem eine konkrete Gefahr einer Fehleinschätzung nicht bewußt. Wiederholungen derartiger Fehler sind also bei der bislang unbeherrschbaren Komplexität der Geochemie zu erwarten. Das ist besonders gefährlich, weil nach meinen Erfahrungen der seit den späten 1970ger Jahren aufgebaute Druck von Seiten der politischen Exekutive den freien wissenschaftlichen Diskurs nicht hat aufkommen lassen.

Transparenz und Beteiligung der gesamten Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit als Teil des Kerngeschäfts könnten zusammen mit einem Whistleblowerschutz das Sytem der "Checks and Balances" in die Endlagerforschungs- und Entwicklungsarbeiten bringen.

"Nach Rücksprache mit verschiedenen Persönlichkeiten mit wissenschaftlichem Hintergrund ist dieser Text entstanden. Ich möchte Sie gerne um Ihre Anmerkungen - falls Sie das wünschen - bitten und natürlich auch um Ihre namentliche Unterstützung. Auch eine Weitergabe an andere Personen ist erwünscht. Es wäre aus Gründen des Ablaufs der Prozeduren in der Politik gut, wenn der Aufruf Anfang kommender Woche an "die Wissenschaft" versendet würde.

Ich bin sicher, dass sich viele beteiligen werden. Aber zunächst braucht die Initiative Start-Persönlichkeiten.

Durch den Aufruf soll die Bereitschaft und der Wille deutlich werden, dass sich die Wissenschaft einmischen will und wird. Es könnte daraus eine Plattform entstehen, in der die Vielfalt der wissenschaftlichen Kompetenz zum Ausdruck kommt und Vorschläge/Vorstellungen entwickelt werden, die in die Öffentlichkeit und in den politischen Raum getragen werden.

Die Initiative steht in keinem Konkurrenzverhältnis zu anderen Gruppen oder Institutionen, die sich mit der Endlagerfrage auseinandersetzen.

Alle Personen mit wissenschaftlichem Hintergrund (auch Studierende) sind aufgerufen, sich zu beteiligen."

(Quelle: Email von Wolf Schluchter zum Text, der im Oktober 2013 entstanden ist. Wolf Schluchters Email-Adresse).

Ganz analog zum Arabischen Frühling oder dem Plenum der Ökonomen könnte dies zu der notwendigen Destabilisierung des Status Quo führen, zur Beendigung der momentanen einseitigen Festlegung der Endlagerforschung und ihres -oben angedeuteten und von der deutschen Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkten- Stillstands.


2.1 Beispiele und Elemente


2.2 Open Data in der Politik - Ein Modell für Open Data in der Endlagerforschung

Im Folgenden erläutern Details zu Open Data - Open Government, wie eine Öffnung ein zuvor abgeschottetes System, den Status Quo, destabilisieren. Es ist zu erwarten, daß die Endlagerforschung auf ähnliche Weise von einer Öffnung profitieren wird.

A. Napolitani, "Unveiling the European Open Data Strategy", TechPresident, Personal Democracy Forum, 13 December 2011

Yesterday the European Commission announced the creation of an Open Data Strategy, a set of measures aimed at increasing government transparency.
The announcement follows the move of the UK and France, the latter launching its national open data portal just last week.

The Open Data Strategy will make a general rule that all documents made accessible by public sector bodies can be re-used for any purpose, commercial or non-commercial; data will be provided in commonly-used, machine-readable formats, to ensure data can be effectively re-used.

In this time of economic crisis an open data strategy could open up new economic opportunities (and the press release states it from the headline, "turning government data into gold"): a recent study indicates that the economic gains from the opening of public sector information are around Euro 40 billion a year for the EU27. "However," states a memo with further information on the topic, "the total direct and indirect economic gains from easier PSI re-use across the whole EU27 economy would be in the order of Euro 140 billion annually."

The benefits aren't just economic, says Commissioner for Digital Agenda Neelie Kroes on her blog, explaining the move:

They improve the transparency of our democratic and public institutions. They can improve the quality of decision-making within public administrations themselves - through informed, evidence-based policymaking. And they can help those from all sectors of society - like apps that help people with disabilities find wheelchair-accessible buildings.
Today's legal proposals are in two parts. First, the Commission itself will be practising what we preach, putting our own data on a single portal, free, open, easy to use. And we are pushing the EU's other institutions and agencies to join us too.

But the most interesting message is probably the one Commissioner Kroes sent to the governments and agencies of the 27 EU countries: "My message to public authorities is clear: you don't have to wait for this package to become law. You can give away your data now - and generate revenue and jobs, and even save money from the better information and decisions that will flow."

The EU data will be released in a data portal that will serve as a single-access point for re-usable data from all EU institutions, bodies and agencies and national authorities; for the first time libraries, museums and archives will be included.
The portal is expected to launch in spring 2012.
The Open Data strategy updates a  2003 Directive on the re-use of public sector information; detailed information is provided in a Questions and Answers document.


2.3 Whistleblowerschutz

In den USA steht ein öffentlich Angestellter unter einem Whistleblowerschutz, der in allen Umweltgesetzen und dem Atomgesetz verankert ist. Ein solcher Schutz ist im deutschen Atomgesetz nicht zu finden. Es ist daher schwer für die deutsche Rechtsprechung, einen Whistleblower als solchen zu erkennen, zu benennen und zu schützen. Nach meiner Erfahrung haben sogar renommierte Rechtsanwälte abgelehnt, einen Fall von Whistlebowing aus dem nuklearen Establishment zu vertreten.


Version: 25.1.2011

Adresse dieser Seite

Home

Joachim Gruber