Eine wandernde Strontium-Schockwelle: Darstellung mit dem mixing-cell-model

Joachim Gruber

Die Nichtlinearitäten in der Geochemie ermöglichen eine Selbstorganisation innerhalb einer aus dem Endlager austretenden Radionuklidfahne: Es kann sich in ihr eine Radionuklid-Schockwelle ("shock", "traveling wave", scharfe Reaktionsfront) bilden, d.h. eine Welle, deren Radionuklidinventar auf die Wellenfront beschränkt ist. In diesem Sinn ist die Wellenfront eine von der Kontaminationsfahne selbstorganisierte Falle, in der sich der gesamte wandernde hochaktive Abfall akkumuliert (Details zum Modell).

Wir haben die Entwicklung einer Strontium-Schockwelle mit dem mixing-cell model MINTRANS 1987 im Los Alamos National Laboratory modelliert: Eine wandernde Strontium-Schockwelle entsteht in der Strontium-Kontaminationsfahne des Yucca Mountain Tuff, wenn sich die Konzentration von gelöstem Sulfat oder Kalzium ändert und dadurch die Wechselwirkung zwischen adsorbierten Komplexen und Ladungswolken an den mit Strontium beladenen adsorbierenden Goethitoberflächen auf dem Tuff verändert wird. (Craig A. Dicke, "Modeling the feasibility of strontium remobilization from goethite surfaces in a saturated tuff at Yucca Mountain, Nye County, Nevada", Master's Thesis, 1988. Summary and Conclusions).

Im hier angeführten Beispiel sind bis auf die Sulfatkonzentration die Konzentrationen des Porenwassers der Strontiumfahne und des Fremdwassers identisch. Das Fremdwasser löst also allein mit seiner niedrigeren Sulfatkonzentration Konzentrationswellen aus.

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Selbstorganisation einer Radionuklidfahne
x-Achse: Zellen (Poren) des mit Radiostrontium geringfügig gleichmäßig kontaminierten Tuffs (der "Radionuklidfahne", auch als "Radionuklidwolke" bekannt). y-Achse: pH, Strontiumkonzentration in Lösung (Srl, Einheit: 10-7 M), Strontiumkonzentration auf Tuffoberflächen (Srs, Einheit: 10-7 M). Rechnungen: Craig Dicke, 1988.

Zusammenfassung: Eine Front von "frischem" Wasser ("Fremdwasser") reinigt Tuff, der zunächst infolge einer geringfügigen Leckage aus dem Endlager gleichmäßig mit Radiostrontium kontaminiert war. Die vom Gestein gelöste ("remobilisierte") Kontamination sammelt sich an der Wasserfront zu einem sekundären Radionuklidlager hoher Konzentration (anschauliches Experiment). Der Vorgang ist vergleichbar dem Reinigen einer Oberfläche mit einem Wasserstrahl.

Zeitschritt 0 zeigt den Zustand der Strontiumfahne vor Eindringen des Fremdwassers (Kontamination = (3.2 + 1.2) 10-7 M). In jedem Zeitschritt wandern alle Porenwässer des kontaminierten Gebiets (der Strontiumfahne) um jeweils eine Zelle nach rechts und stellen sich mit der Tuffoberfläche ins chemische Gleichgewicht (triple layer surface complexation model). Die dabei vom Porenwasser frei werdende erste Zelle füllt sich mit Fremdwasser, und das löst (remobilisiert) Strontium von der Gesteinsoberfläche. Mit jedem Zeitschritt dringt das Fremdwasser tiefer in die Strontiumfahne ein. Die Fremdwasserfront führt das remobilisierte Strontium mit sich, reichert sich also bei jedem Zeitschritt mehr mit Strontium an.

Beispiele von Schockwellen

Beispiele für die Retardierung der Radionuklid-Schockwelle gegenüber dem Porenwasserfluß:

  1. in einfachen Systemen und bei verschiedenen Adsorbern oder
  2. bei Bildung löslicher Komplexe, in Abhängigkeit vom pH, den elektrostatischen Kräften an den adsorbierenden Oberflächen und der Konkurrenz um die Adsorptionsplätze (4 Beispiele: Prozesse a - d).

Weiterführende Literatur


Version: 26. April 2015

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